Straßenkunst Straßenmusik 🎭 Erfahrungen und Tipps
Hinweis: Kauflinks verweisen auf Amazon-Angebote, die mir eine kleine Provision bezahlen, um meinen Kanal/Website zu unterstützen.Ich bin drei Jahre permanent als Straßenkünstler und Straßenmusiker in Europa unterwegs gewesen. Als ich wieder sesshaft war, habe ich hin und wieder noch weiter gemacht, vor allem aber Workshops angeboten. Ich spiele Didgeridoo, habe aber auch Altflöte gespielt und ein Bambus-Saxophon. Außerdem habe ich Tarot Kartenlegen angeboten, Bilder auf die Straße gemalt und Portraits gezeichnet.
Was anbieten?
Ich kann natürlich nur aus meinen eigenen Erfahrungen berichten, von den Erzählungen anderer Straßenkünstler und von meinen Beobachtungen auf der Straße, während ich selbst aktiv Straßenkünstler war. Ich bin mal mit einem australischen Ureinwohner in Heidelberg die Hauptstraße runter gelaufen und fand seine Reaktionen interessant. Wenn ein Straßenkünstler etwas unterhaltsames vorstellte, gab er großzügig, vermutlich auch, weil er den Wert des Geldes nicht so schnell umrechnen konnte. Da er nicht arm war (Profi Musiker) griff ich nicht ein, sehr zur Freude der Künstler.
Dann deutete er fragend auf einen Bettler, der ein Schild vor sich liegen hatte "Betteln ist besser als Stehlen" und wollte wissen, was der macht. Ich übersetzte ihm und erklärte, er sein ein Bettler, der gar nichts macht, außer da zu sitzen und abzuwarten. Das schien für ihn keinen Sinn zu machen und er gab ihm nichts.
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Unterhaltsam
Egal welches Instrument du spielst, ob du Kunststücke, Magie oder Wahrsagerei anbietest oder Bilder malst. Am Ende entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Unterhaltungswert (in Form von Geld, Nahrung u.s.w.). Man kann es natürlich auch mit der Mitleidstour versuchen, aber das wurde zu sehr kommerziell und bandenmäßig ausgenutzt und wird inzwischen durchschaut.
Also unterhaltsam sollte deine Darbietung sein. Ich sah mal einen Kontergangeschädigten mit zwei Stöcken einen Ball sehr geschickt durch die Luft wirbeln. Gut, der hatte natürlich ein extremes Alleinstellungsmerkmal und hatte mehrere Erfolgsfaktoren auf seiner Seite. Vor allem aber honorierte man ihm seinen Mut, seine Behinderung öffentlich zu zeigen und das Beste daraus zu machen.
Ich las mal in einem amerikanischen Buch folgenden Satz, der sich immer wieder bewahrheitet hat:
You'll get out of it, what you put into it - Du bekommst das heraus, was du investierst...oder... Du bekommst heraus, was du hineinsteckst.
Eigene CD
Erlaubt ist der Vertrieb einer selbst hergestellten Audio CD mit deiner Musik drauf. Das habe ich auch gemacht, wird von deinen Fans gewünscht und bringt dir zusätzlich Geld in die Kasse. 10 Euro pro CD sind angemessen und werden gerne bezahlt.
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Mutig
Ich lernte einmal einen Typen kennen, der war eigentlich Konditor, war aber einer stressigen Ehe entflohen, hatte sein Bündel geschnürt, sich eine Gitarre, Noten und eine Anleitung gekauft und war bei mir als Tramper eingestiegen. Ich hatte damals das seltene Glück ein Auto fast geschenkt bekommen zu haben, dass ich eine Zeit lang während meiner Wanderjahre nutzte. Bis es zerfiel...
Während der Autofahrt übte er fleißig Gitarre, war aber offensichtlich talentfrei und grundsätzlich unmusikalisch. Trotzdem oder vielleicht, weil er nicht wusste wie schlecht er war, setzte er sich in Freiburg auf die Straße, spielte schief, sang schief und verdiente gut. Besser als ich mit meinem Didgeridoo. Ich fragte ihn dann später wie es gelaufen sein und er meinte unbedarft "War ganz gut". Und dann erzählte er mir von dem Profi Musiker, der ihm eine Weile zugehört hatte und ihm 5 Mark gab. Ungeheuer viel für das, was er machte. Und er sagte "Ich gebe dir 5 Mark nicht weil du gut spielst, sondern weil du überhaupt nicht spielen kannst, die Gitarre nicht gestimmt ist und du überhaupt nicht singen kannst. Ich bewundere deinen Mut und deine Unerschrockenheit."
Das ist natürlich kein Erfolgsrezept und das kann man auch nur übergangsweise eine Weile machen, bis man besser geworden ist oder etwas geeigneteres gefunden hat.
Mittelmaß ist tödlich
Am schlimmsten ist Mittelmaß. Mittelmaß ist sehr langweilig und hat keinerlei Unterhaltungswert. Sehr gut zu sein ist super, aber schlecht sein ist besser als Mittelmaß. Oder man tut so, als wäre man sehr schlecht und überrascht das Publikum mit etwas Besonderem. Dann wird es wieder komisch und hat Unterhaltungswert. Die Menschen amüsieren sich halt gerne! Mit Originalität erfreut man die Menschen. Ich habe an einem verregnten Tag in Lyon zunächst gar nichts mit dem Didgeridoo verdient, bis ich aus Langeweile anfing, komische Geräusche zu machen, immer wenn jemand an mir vorbei lief. Das fanden die Leute lustig und sie lachten und ich hatte endlich auch was zu lachen, denn ich verdiente etwas dabei. So können positive Kettenreaktionen entstehen und den Trübsinn der Leute in Freude verwandeln.
Einem Clochard in Paris war wohl das Geld ausgegangen und so nahm er sich eine Bananenschale, drapierte sie vor einem voll besetzten Straßencafé, zog die Aufmerksamkeit auf sich und tat dann so, als würde er zufällig dort lang laufen, rutschte auf der Bananenschale aus und flog auf die Fresse. Die Leute kriegten sich nicht mehr ein vor Lachen und warfen gerne etwas Geld in seinen Hut, als er rumging. Sehr einfach, genial und wirkungsvoll.
Ein gutes Beispiel für Mittelmaß war der Gitarrenspieler aus Montpellier. Ihn sah ich Jahr für Jahr an derselben Stelle sitzen und dieselben drei Lieder spielen. Selten verirrte sich mal eine Münze in seinem Gitarrenkoffer, die er desinteressiert keines Blickes würdigte. Ich fand ihn wahnsinnig langweilig. Solchen Straßenmusikern bin ich sehr häufig begegnet und an schlechten Tagen war ich einer von ihnen.
Nur zur Erinnerung: jeder soll spielen wie er will und wie er kann. Nur muss man sich dann nicht über das finanzielle Ergebnis wundern. "You'll get out of it, what you put into it."
Freundlichkeit
Ich hatte diesen Kanadier kennengelernt, der eigentlich aus Persien kam, was ja heute der Iran ist. Er sah aus wie Charlie Chaplin und war komplett geschminkt, mit Frack, Zylinder und riesigen Schuhen. Dazu trug er weiße Handschuhe. Aus seinem Kassettenrecorder ertönte leichte und fröhliche klassische Musik. Und obwohl er wie ein Clown aussah, war er überhaupt nicht lustig. Sein Zauber war seine Freundlichkeit. Er bewegte sich nicht. Nur seine Augen folgten den Kindern und wenn diese stehen blieben, bewegte er sich etwas marionettenhaft aber nicht so sehr, dass es die Kinder erschreckte, und er reichte den Kindern Süßigkeiten (müsste man heutige Standards anpassen). Er brachte mit seiner ganzen Art die Augen der Kinder zum Leuchten und die Mütter schmolzen dahin. Er sah auch gut aus mit seinem fein geschnittenen Gesicht aber vor allem war er freundlich, sehr sauber und hatte etwas engelhaftes an sich.
Wir sahen uns täglich und tauschten unsere Tagesbilanzen aus. Nie kam ich auch nur annähernd in die Nähe seines Verdienstes. "Heute lief es nicht so gut" meinte er einmal. "Nur 350 Mark". Was sein höchster Verdienst gewesen sei, fragte ich ihn. Umgerechnet 1200 Mark, meinte er. Aber nicht in Deutschland, sondern in Holland.
Chancen ergreifen
In Freiburg war dann ein professioneller Clown aus Südamerika, der hinter den Leuten herlief und sie wie eine Karikatur nachmachte. Das war ungeheuer lustig und die Leute genossen seine Show sehr. Seine italienische Assistentin sammelte für ihn das Geld ein. Sie verließ ihn kurze Zeit später und tauchte plötzlich bei mir auf. Sie sah heiß aus, hatte Ähnlichkeit mit Frida Kahlo und war Akrobatin, wie sie mir erzählte.
Meine Musik hätte etwas Animalisches meinte sie und ob sie dazu tanzen dürfte. Ich hatte natürlich nichts dagegen und sie legte los. Zu meinem wummernden Beat, den ich mit einem Hartholz begleitete, das ich rhythmisch auf den Asphalt schlug, begann sie ihre Akrobatiknummer zu vollführen. Auf engstem Raum bog sie sich, sprang auf einmal hoch, überschlug sich, drehte sich, wirbelte herum. Es war wirklich atemberaubend und es dauerte keine halbe Stunde, bis jemand vom Theater in Freiburg vorbei kam und sie mir nach einem kurzen Gespräch weg engagierte... Wow, gut für sie und für mich ein sehr kurzes aber unvergessliches Erlebnis.
Bilder malen
Ich habe auch schon Bilder auf die Straße gemalt und Portraits gezeichnet. Da Portraitzeichnen ein Handwerk ist, entscheidet hier die Qualität deiner Arbeit. Wenn du ein Bild auf die Straße malst, sollte es möglichst groß sein und ein interessantes Motiv darstellen. Ich habe surreale Bilder gemalt, die interessant waren und die Leute erstaunen ließ. Ein Bild schaffte es auch mal in die Zeitung. Allerdings muss man das Material kaufen (gute Kreiden sind teuer) und man ist auch vom Wetter und den gesetzlichen Bestimmungen abhängig. An der gesamten Côte d'Azur darf man z.B. keine Bilder auf die Straße malen, so mein Wissensstand. Viel habe ich jedoch mit meinen Bildern nie verdient. Ich finde es keine attraktive Form der Straßenkunst. Dann schon eher Portraitzeichnen, falls man das kann.
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Wahrsagen
Man kann aber auch einen ganz anderen Weg einschlagen und z.B. Tarot Kartenlegen oder etwas ähnliches anbieten. Natürlich kennen wir alle die alten Romafrauen, die einem aus der Hand lesen wollen, was aber eher Jahrmarktcharakter hat. Ich sah jedoch in Hannover oft einer Frau zu, sie lebte auch in Hannover und war eine Deutsche, die ernsthaft die Tarotkarten legte. Sie lockte durch ihr sprühendes und lebhaftes Auftreten und ihre farbenfrohen Kleider die Leute an, wurde dann jedoch ernsthaft, wenn es zum Kartenlegen kam und machte das wirklich sehr gut und seriös, wie ich feststellte, als sie mir die Karten legte.
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Ich probierte das selbstverständlich auch aus und verdiente viel mehr, als mit dem Didgeridoo. Aber man braucht zum einen eine Art Ausbildung oder zumindest ein Vorwissen und außerdem braucht man soziale Kompetenz, um auf eine verantwortungsvolle und empathische Art und Weise mit den Leuten zu reden. Wenn man es gut macht, hat man schon bald Stammkunden und ein fast regelmäßiges Einkommen. Beim Reisen behindert einen die Sprachbarriere, sollte es einen ins Ausland ziehen. Eine Sprach-App würde die persönliche Atmosphäre killen und kann ich mir nicht vorstellen. Mir gelang dies nur in England. Für Frankreich reichte mein Französisch nicht aus. Auch auf der Rambla in Barcelona sieht man spät abends die alten Frauen mit ihren Tischchen und schummrigen Lampen sitzen und die Karten legen. Ein großer Vorteil beim Kartenlegen: man macht keinen Krach und stört auch sonst keinen, außer ein paar verrückte Sektierer vielleicht, die das Wahrsagen ablehnen und einem tierisch auf die Nerven gehen können.
Es gibt darüber hinaus natürlich noch viel mehr, was man auf der Straße publikumswirksam darbieten kann. Aber meist muss man dafür lange trainieren, z.B. für Jonglieren, Magie, Kartentricks, Feuerspucken u.s.w. Am Ende zählt immer nur der Unterhaltungswert.
Polizei und Ordnungsamt
Als Straßenmusiker hat man sofort Kontakt mit dem Ordnungsamt und der Polizei. Die Regeln sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Frankreich sind die Regeln eher locker, in London sehr streng, in Holland auch locker aber in Deutschland ist selbstverständlich alles kompliziert.
Informiere dich am besten vorher im Internet, welche Bestimmungen für die jeweilige Stadt aktuell gilt.
Wenn man unwissend ist, sitzt man auf der Straße und spielt z.B. sein Instrument. Verstärker sind grundsätzlich nicht erlaubt, da wird es auch im Ausland kritisch. Dann tauchen zwei Polizisten in zivil oder uniformiert auf und fordern einen auf die Regeln zu beachten. Oder sie fordern einen auf, zum Ordnungsamt zu gehen und eine Genehmigung einzuholen, die selbstverständlich Geld kostet. Nicht viel, meist um die 10 Euro aber pro Tag. Das ist aber eher selten. Normalerweise muss man nur das Zeitfenster beachten und in manchen Städten wie in Heidelberg auch den Standort. Dort stehen sogar Schilder mit Zeitangaben. Spieldauer maximal 30 Minuten. So bilden sich an den Schildern manchmal Schlangen. Ich war z.B. mal nach den Mongolen dran, die ja für ihren Obertongesang bekannt sind. Danach durfte ich.
Wahrsagen ist vergleichsweise unproblematisch, aber in Freiburg kam einmal die Polizei und wollte wissen, was ich da mache. Sie verwiesen mich zum Ordnungsamt, wo ich den Beamten die Karten legte, was gut ankam und somit toleriert wurde. Das ganze Büro war auf einmal voll mit Leuten, die auch mal eine Karte ziehen wollten 😄 Also grünes Licht für Freiburg.
In Offenburg wollte ich einer Kundin die Karten in einem Café legen, was aber zu meiner Überraschung auf Widerstand stieß. Kartenspiele seien hier nicht erlaubt. Ich erklärte, was ich da tat, aber die Frau blieb hartnäckig und so mussten wir die Legung woanders vornehmen. In Heidelberg habe ich jedoch mal einer Politikerin die Karten in einem Hinterzimmer gelegt. Da gab es keine Probleme. Ansonsten hat man auf der Straße keine Probleme mit den Ordnungshütern. Ich habe sogar Polizisten nach Feierabend die Karten gelegt.
Verdienst
Wenn es schlecht läuft oder man langweilig und mittelmäßig ist, kommt man gerade so über die Runden. Das sind so 20 Euro pro Tag. Wenn man sehr originell und unterhaltsam ist oder technisch sehr gut, dann kann man nach meiner Erfahrung mehr als 200, 300 Euro pro Tag verdienen. Dann muss man aber schon echt top sein, was nur wenige Straßenkünstler erreichen. Meist pendelt es sich so bei 50 Euro ein. Wenn man komplett auf der Straße lebt, hat man jedoch höhere Ausgaben, da man oft die Gastronomie besuchen muss für Ruhepausen, Essen, Hygiene etc.
Diebstahl
Wenn es ganz blöd läuft, wird einem das hart verdiente Geld geklaut. Mir haben Leute schon direkt Geld aus der Schale gestohlen, indem sie so taten, als würden sie etwas hinein tun. Man hat kaum eine Chance, es wieder zurück zu bekommen, da man entweder so sehr mit seiner Darbietung beschäftigt ist oder aus Sorge um sein anderes Hab und Gut die Verfolgung nicht aufnimmt. Habe ich so erlebt, ist ärgerlich, kann aber passieren. Manche Straßenkünstler haben eine Art Vase aus Metall, die angekettet ist oder einen Kasten mit einem Schlitz, wie eine Spardose.
Belästigungen
Wenn man sich öffentlich präsentiert, ist man ziemlich ungeschützt und kann Opfer von Belästigungen werden. Das können Beleidigungen, Pöbeleien oder körperliche Gewalt sein. Letzteres habe ich selbst nie erlebt, aber andere, die ich unterwegs traf. Auch lästig waren die extremen Christen, die unterschiedlichen Sekten angehören und das Wahrsagen und Kartenlegen verteufeln. Die wurden richtig laut und machten ein Arbeiten unmöglich. Eine Diskussion mit denen lohnt nicht und führt zu nichts. Einmal half mir ein Polizist, da das Recht klar auf meiner Seite war.