Wanderjahre 🌞 Orientierungslos auf und davon

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Sackgasse

Beruflich war ich zunächst orientierungslos, nachdem ich aus dem Familienbetrieb aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden war und danach als Kellner, Koch und Verkäufer gearbeitet hatte. Das BWL Studium hatte mir auch keine Freude bereitet. Was also tun? Zu guter letzt hatte ich wegen des Geldes in einer Fabrik gearbeitet, wo man mir eine langfristige und sehr gut bezahlte Stelle anbot. Ich lehnte jedoch dankend ab, da dies für mich ein Albtraum gewesen wäre. Und als ich keine Perspektive sah, machte ich einen radikalen und endgültigen Schritt...

Sprung ins Ungewisse

Es begann alles im Juni 1994. Ich war beruflich in einer Sackgasse gefangen und wusste mit meinem Leben nichts mehr anzufangen, nachdem ich Vieles ausprobiert hatte. Innerlich war ich leer und hoffnungslos und beschloss diesem Leben ein Ende zu setzen, indem ich den Schritt ins Ungewisse wage. Diese Befreiung konnte so der so enden, aber es lag auch ein gewisser Zauber in diesem radikalen Neuanfang. Als ob die über die Jahre angesammelte Spannung sich jetzt in einem mächtigen Funken entlud und einen neuen Lebensabschnitt zündete.

Es war ein schöner Sommermorgen, da kramte ich ein paar Klamotten zusammen, meine Tarotkarten (als finanzielle Notreserve) und los ging's mit meinem Opel Kadett und 250 DM. Einfach auf die Autobahn Richtung Süden. Keine Ahnung wohin genau. Als ich in Darmstadt ankam, war ich pleite. Knapp 5 DM hatte ich noch. Was nun? Jetzt musste ich ins kalte Wasser springen und öffentlich auf der Straße Tarot Kartenlegen anbieten, so wie ich das bei einer Frau in Hannover gesehen hatte. Aber das hatte ich natürlich so geplant. Was passieren würde, konnte ich dagegen nicht planen.

opel kadett

Tarot legen auf der Straße

Ich hatte mir in Hannover mal bei einer sehr lustigen aber fachkundigen Frau, die Tarotkarten legen lassen. Da ich selber auch welche hatte, waren sie mir ein wenig vertraut. Ich war von ihrem ganzen Auftreten beeindruckt. Sie spühte vor Lebenslust und Lebensfreude und ihre Energie sprang auf die Leute über. Kam es zum Kartenlegen, wurde sie jedoch konzentriert und ernst. Es endete jedoch immer mit irgendeinem aufmunternden Spruch und die Leute waren irgendwie zufrieden oder hatten ein zuversichtliches Lächeln im Gesicht.

tarot

Das wollte ich auch können und mir war klar, dass der einzige Weg dies zu tun war, es zu tun. Also da stand ich nun mit meinen knapp 5 Mark und brauchte dringend Geld. Nachdem ich einen Parkplatz gefunden hatte, suchte ich mir eine Stelle vor einem Kaufhaus mit einer flachen Sitzgelegenheit in Form einer Treppenstufe. Ich breitete mein Tarotset aus (das ich immer noch benutze) und stellte ein Schild auf "Tarot Kartenlegen gegen Spende".

Es dauert nicht lange und eine mit Taschen bepackte Frau in den 40ern neigte sich zu mir herunter und war interessiert. Selbstverständlich war ich sehr nervös und versuchte ruhig zu wirken. Sie fand die Legung ganz gut, ich fand da war noch viel Luft nach oben. Meine Angespanntheit würde sich natürlich mit der Zeit lösen und sich in Selbstvertrauen wandeln.

Immerhin kam genug Geld zusammen für Essen und Benzin. Geschlafen habe ich im Auto. So tingelte ich von Stadt zu Stadt und wurde schnell selbstsicher, da ich viel Hintergrundwissen im spirituellen Bereich aus Buddhismus, Kampfkünsten u.s.w. angesammelt hatte und mit historischen Geschichten oder selbst erlebten Erfahrungen aus der Meditation glänzen konnte. Das machte die Gespräche lebendig und für die Leute interessanter. Ich glaubte sowieso nach einiger Zeit, dass es den Leuten weniger um Tarot ging, als vielmehr um das vertraute Gespräch mit jemandem, der einen nicht kennt und nichts weiter plappern konnte.

So verging das erste Jahr und ich hatte inzwischen schon Stammkunden, musste sogar in Freiburg einmal den Angestellten im Ordnungsamt die Karten legen, weil diese nicht genau wussten, was ich da treibe. Nach kurzer Zeit war das Büro voll mit neugierigen Beamten, die alle mal die Karten ziehen wollten. Ein Heidenspaß und ich hatte grünes Licht für Freiburg 🚦

Schweiz

In der Schweiz angekommen, war ich erst nicht sicher, wie es hier sein würde und so hockte ich auf meinem Metallkoffer, vor mir die Tarotkarten auf einem schönen gestickten Tuch, als plötzlich ein Handwerker in Arbeitskleidung vor mir stand und die Karten legen wollte. Und dann kamen weitere und noch mehr und schließlich hatte sich eine lange Schlange gebildet von ca. 10 Leuten. Ich wandte mich an die Schlange und sagte "Das dauert zwischen 10 und 15 Minuten pro Person. Kommen sie bitte später wieder". Aber sie wollten bleiben und so hatte ich drei Stunden lang zu tun. Die Schweizer waren sehr generös und zahlten einen für mich ungewohnt viel höheren Tarif (Spende), als die Deutschen. Also finanziell ging es mir prächtig.

Meine Tarot Websitetarot-treff.de

Didgeridoo

Im zweiten Jahr lernte ich in Heidelberg eine junge Dame kennen, bei der ich einige Zeit (gegen Bezahlung) wohnen durfte. Wir lernten zusammen auf der Hauptstraße einen Australier kennen, der eine Zaubershow darbot und zum Schluss sein Didgeridoo auf dem Mund balancierte und es spielte. Ich war sofort vom Klang verzaubert und dachte "Woher kenne ich dieses Geräusch?" Es war der Film "Crocodile Dundee".

didgeridoo strassenmusik

Das bin ich zwar nicht, aber so sah das bei mir auch aus. Es gibt von mir keine Fotos aus der Zeit.

Jedenfalls luden wir den Australier ein und noch ein paar Straßenmusiker und machten zu Hause mit allem Musik, was der Küchenschrank hergab. Reis, Zucker, Töpfe, Nüsse. Ein großes Vergnügen. Und ich spielte zum ersten Mal unter Anleitung des Australiers, Didgeridoo auf unserem Staubsaugerrohr. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen und hatte einen knallroten Kreis im Gesicht.

mark atkins didgeridoo player

Wie es der Zufall wollte, begegnete ich, immer noch in Heidelberg, einem australischen "Half blood" Ureinwohner aus Sydney (seine Mutter war Ureinwohnerin, der Vater Osteuropäer). Es war Mark Atkins, der seine Tournée beendet hatte und Lust auf Straßenmusik hatte. Ich sprach ihn an und wir tranken einen Kaffee zusammen, er trank selbstverständlich Bier. Wir plauderten, er schenkte mir seine neueste CD "City Circles" und ich schenkte ihm meine Lieblingspfeiffe, weil man das so macht. Er benutzte sofort meine Pfeiffe und ich betrachtete die CD voller Bewunderung.

Musik CDs von Mark Atkins bei ► Amazon

Jedenfalls spielte er Didgeridoo (oder Yidaki, wie er das nennt) und ich verkaufte alle seine CDs. Er teilte den Gewinn sehr großzügig und zeigte mir noch ein paar Tricks auf dem Didgeridoo. Vor allem sagte er mir einen Satz, der mich direkt in's Herz traf:

If you want to learn how to play the didgeridoo, play it in the streets!

Straßenmusik

Und das tat ich dann auch. Ich kaufte mir ein anständiges und vor allem lautes Eukalyptus Didgeridoo in der Stimmlage "E" und übte fleißig. Immer wieder traf ich Leute mit mehr Erfahrung, die mir Tipps gaben, z.B. in Karlsruhe. Da erfuhr ich, dass man beim Spielen etwas lächeln soll, um die Lippenspannung zu erhöhen und den Luftverbrauch zu minimieren. Außerdem klingt der Ton schärfer und lauter. Da ich nun keine Sprachbarriere mehr hatte, zog ich weiter durch Frankreich und fuhr dann auch mal nach London, um dort zu spielen. Aber Deutschland war zu der Zeit (1990er) ein sehr gutes Pflaster für Didgeridoo Straßenmusik. So spielte ich Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr täglich ca. 3 Stunden, bis ich 1998 beschloss, wieder sesshaft zu werden. Irgendwie landete ich in Darmstadt und mein neuer Vermieter war Australier. Was kann man noch sagen?!

Meine Didgeridoo Websiterichydidge.de

Vorgelesen von Richy Schley

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