Freiwillig obdachlos 🌞 als Therapie
Hinweis: Kauflinks verweisen auf Amazon-Angebote, die mir eine kleine Provision bezahlen, um meinen Kanal/Website zu unterstützen.Durch meine Erziehung habe ich von klein auf die Angst vor dem sozialen Abstieg erfahren. Mir wurde der Eindruck vermittelt, dass das Leben vorbei ist, wenn man beruflich keine Karriere macht. Diese Angst war tief in mir verwurzelt, erzeugte aber gleichzeitig eine Gegenkraft, die mich genau dieses Abenteuer aufsuchen ließ. Und so ließ ich im Jahr 1994 alles zurück und machte mich auf einen Weg, von dem ich nicht wusste, wo er hinführte und wie lange er dauern würde.
Erstmal weg
Mein Vater hatte einen kleinen Betrieb aufgebaut, in dem ich seit meinem 12. Lebensjahr aktiv mitmachte. Meine Jugend war mit Arbeit ausgefüllt und musste später mit Ende 20 bis Mitte 30 intensiv nachgeholt werden, nachdem ich keine Zukunft im Betrieb meines Vaters mehr sah. Es waren 8 wilde und schöne Jahre voller Musik, Tanz, Partys und schönen Frauen. Aber selbst das faszinierte mich jetzt mit meinen 34 Jahren nicht mehr.

Ich hatte beruflich viel ausprobiert und war zu dem Schluss gekommen, dass die Arbeit mit Menschen mir viel Freude bereitete, aber nach 7 Jahren Gastronomie und 3 Jahren im Verkauf suchte ich nach etwas ganz Neuem. Ich wollte tiefer graben, mehr über mich selbst erfahren und vor allem meine Angst vor dem Versagen und vom Abstieg überwinden. Also fasste ich einen radikalen Entschluss, stieg in mein Auto und fuhr Richtung Süden. Ich hatte kein bestimmtes Ziel, ich wollte einfach nur weg. Weg von dem Leben, das ich bisher gelebt hatte. Ich beschreibe diesen 3 Jahre dauernden Lebensabschnitt auch als meine "Wanderjahre", aber ich möchte hier mehr auf die psychologischen Hintergründe aufmerksam machen, da ich glaube, dass Existenzangst und Lebensangst etwas ist, dass vielen Menschen zu schaffen macht.
Durch Begegnungen mit dem Buddhismus in Form von Literatur und realen Menschen, hatte ich einen Horizont erspäht, der weit über dieses enge Leben mit seinen gesellschaftlichen Konventionen, Regeln, Erwartungen und Auszeichnungen hinaus geht. Ich ahnte, dass da noch viel mehr ist, als das, was man mir in der Schule und in der Familie als Realität und den Ernst des Lebens verkauft hatte. Und ich war jetzt bereit, dieses Gefängnis hinter mir zu lassen und auszuprobieren, was passieren würde, wenn ich einfach zur Tür hinaus ging.
Geld

Das offensichtlichste Thema ist natürlich das Geld, denn an ihm hängt das Überleben im allgemeinen. Das machte mir natürlich Sorgen, aber ich hatte mir ja noch schnell ein neues Set mit Tarotkarten bestellt und es abgeholt. "Spiegel der Seele" hieß das. Vorher hatte ich bereits andere Kartensets gehabt, aber ich wollte unbedingt dieses. Die wunderschönen Crowley Karten von Frida Harris und das freundlich geschriebene Buch von Gerd Ziegler lernte ich schon bald aus Eigeninteresse auswendig. Ich hatte ja einige Zeit eine Kartenlegerin beobachtet und mir auch selbst von ihr die Karten in der Stadt legen lassen. Sie verdiente recht gut und das wollte ich auch probieren. Ich wusste, dass ich schnell Zugang zu Menschen hatte und mein Wissen über Tarot und spirituelle Dinge im Allgemeinen war über die Jahre zu einem soliden Fundament gewachsen.
Aber ob das alles so klappen würde, wusste ich natürlich nicht. Ich hatte nur wenigen Leuten die Karten gelegt, meist mir selbst. Es kam jetzt auf einen echten Versuch an. In Darmstadt war mein Geld bis auf knapp 5 DM zusammen geschmolzen und so musste ich ins kalte Wasser springen und mich der Wirklichkeit stellen.
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Zuversicht
Nachdem ich einer Frau in Darmstadt die Karten gelegt hatte, war das Eis gebrochen, die Versagensangst überwunden. Es war zwar nicht perfekt gelaufen, weil ich noch mehr Übung und Erfahrung brauchte, aber es war insofern ein Erfolg, da ich etwas Geld verdient hatte und mir etwas zu essen kaufen konnte. Ich sollte im Verlauf von insgesamt drei Jahren mehr als 1500 mal Gelegenheit erhalten, meine Fertigkeiten zu verbessern, um im vertrauten Gespräch etwas Licht ins Dunkel einer Situation zu bringen, Sorgen zu zerstreuen, Hoffnung zu geben oder die Last des Leids zu verringern. Allein diese Rolle des Trostspenders machte mich selbst stärker, vermittelte mir den Eindruck, ich hätte etwas zu geben und sei deshalb irgendwie wertvoll. Dass mein buddhistischer Zufluchtsname "Diamant der anderen nutzt" hieß, schien jetzt einen Sinn zu machen.
Freiheit

Einmal sprach mich ein Mann an und meinte "Sie wissen gar nicht, wie gut sie es haben. Sie sind frei, können machen was sie wollen, können gehen wohin sie wollen." Doch, ich wusste genau, wie gut ich es hatte und ich sagte ihm "Sie sind genauso frei. Sie können jederzeit die Haustür hinter sich schließen und weg gehen. Sie müssen nur bereit sein, die Konsequenzen zu tragen." Er führte natürlich diese und jene Gründe an, es nicht zu tun. Das muss man sich auch gut überlegen, denn jede Entscheidung hat Konsequenzen.
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Lebensgefühl
Das Entscheidende, und deshalb habe ich diesen Sprung in den Abgrund als Therapie erlebt, war das neue Lebensgefühl. Ich konnte auf der Stelle tot umfallen. Es würde keine Rolle spielen. Ich könnte hier hin oder dort hin reisen. Niemand würde mich hindern. Ich könnte früh aufstehen oder spät oder gar nicht. Niemand würde es merken. Vor allem erwartete mich niemand, weder privat noch beruflich. Ein endloser Horizont lag vor mir und ich nahm diesen bewusst wahr und schöpfte Kraft aus diesem Reichtum.

Andere mussten ständig irgendwo hin oder liefen vor irgend etwas weg. So hatte ich das auch erlebt. Und dann diese Angst vor dem Unbekannten. Die Angst abzusteigen, zu versagen, es nicht zu schaffen, nicht gut genug zu sein, wenn man es wagte, Widerstand zu leisten und von der vorgeschriebenen Linie abzuweichen. Wo war das alles hin verschwunden? Ich fühlte mich, als ob ich an einen Energiestrom angeschlossen war. Ich konnte mich am ruhigen Ufer ausruhen oder ich konnte mich in die Mitte des Stroms begeben, mich sichtbar machen, meine Tarotkarten ausbreiten und das Schild aufstellen, auf dem "Tarot, Spiegel der Seele" stand.
Sobald ich das tat, fand ein Energieaustausch statt, der den Menschen etwas gab und mich mit Geld versorgte. Allein das bewusst wahrzunehmen, löste in mir einen Zustand von Seligkeit und Dankbarkeit aus. Als Steigerung erfuhr ich so viele persönliche Details von mir unbekannten Menschen mit sehr unterschiedlichen Biographien. Angestellte, Hausfrauen, Studenten, Polizisten, Flüchtige, Geschäftsleute, Ärzte, Manager, Politiker, Musiker. Aber ihre Ängste, Sorgen und Hoffnungen waren mehr oder weniger gleich. Diese Einblicke nahmen mir die Fremdheit selbst unbekannter Menschen. Schon nach wenigen Minuten waren mir Fremde vertraut und nahe, weil sie sich mir öffneten und keine Scheu hatten, ihre Verletzlichkeit zu zeigen.
Abhängigkeit

Gleichzeitig wurde mir meine Abhängigkeit bewusst. Ohne Menschen, die meine Dienste in Anspruch nahmen, hätte ich keine Einnahmen. Gut, später spielte ich auch als Straßenmusiker Didgeridoo, sozusagen als Ausgleich und um die Sprachbarriere im Ausland zu umgehen. Aber das Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit sah ich klar und deutlich vor mir. Es gibt niemanden, auch kein Tier, das unabhängig leben kann. Wenn man genau hinschaut, sieht man eine endlose Kette von Abhängigkeiten aller Wesen untereinander.
Aber ich hatte keine Angst mehr davor. Ich empfand diese Abhängigkeit mehr als gemeinsamen Tanz, bei dem es ab und zu Ruhepausen gibt, um sich dann wieder miteinander im Strom aus Energie und Emotionen zu bewegen und zu leben. Ich erlebte das jetzt ganz bewusst und verstand dies als die materielle Erfahrung des Lebens bei gleichzeitiger Unabhängigkeit des Geistes. Dabei meine ich mit Geist das lebendige Schöpferische, das man im Christentum Gott nennt. Das Ungeborene, Endlose, das immer da war und immer da sein wird und das alles Erfahrbare überhaupt erst hervorbringt.
Frieden
Wenn ich auf diese Erfahrung zurückblicke, hat sich vor allem mein Lebensgefühl transformiert. Lebensangst oder Existenzangst wurde verwandelt in Erkenntnis und Erprobung neuer Möglichkeiten und dem Vertrauen, dass es schon irgendwie weiter geht. Dies manifestierte sich als Selbstvertrauen und mehr Zuversicht, selbst schwierige Lebenssituationen handhaben zu können. Man muss nicht immer abgesichert sein und alles genau planen können. Ich hatte gelernt, das Unbekannte als interessante Herausforderung anzunehmen, mich anzupassen und intuitive Entscheidungen zu treffen. Durch die vielen vertrauten Gespräche hatte ich erfahren, dass alle Menschen von sehr ähnlichen Ängsten, Sorgen und Hoffnungen angetrieben werden. Das machte sie mir weniger fremd und zudem liebenswerter.
Manche Angsthasen können mit einer Maske den Anschein von Souveränität und Stärke erwecken und andere täuschen. Aber ich hatte hinter die Masken geschaut und das verletzliche Wesen in allen entdeckt, das beachtet und geliebt werden möchte. In dem Punkt sind wir alle gleich. Und zwar wirklich alle 😉
Und ich bin zuversichtlich, dass Menschen sich immer ändern können, wenn ein bestimmter Impuls, eine Motivation und die Gelegenheit da ist. Es gibt keine hoffnungslosen Fälle und es gibt keine Begrenzungen, nur begrenzte Gedanken.
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KI generiertes Bild, erzeugt durch die Anweisung "Mal mir bitte ein Bild über den Frieden." Ich finde das Ergebnis ganz erstaunlich...
KI Bildgenerator "Stable Diffusion" (Open Source)
Vorgelesen von Richy Schley
