Erntehelfer in Griechenland 🍊
Hinweis: Kauflinks verweisen auf Amazon-Angebote, die mir eine kleine Provision bezahlen, um meinen Kanal/Website zu unterstützen.Nachdem ich sehr gastfreundlich von der Modedesignerin Elena in Athen aufgenommen worden war und ein wenig Geld durch das Zeichnen von Portraits verdient hatte, zog ich weiter nach Argos auf Peloponnes, um dort als Ernethelfer zu arbeiten. Es war ja schon Dezember und die Orangen-Ernte war so gut wie vorbei. Als ich in Argos ankam, ging ich direkt in das kleine Café, wo sich die Erntehelfer immer trafen. Und dort saßen sie auch alle.
Es war ja nicht mehr warm, höchstens 15 Grad. Ich kam mit einigen ins Gespräch und fragte, wo sie wohnten. In einer alten leer stehende Schule. Sie würden es mir zeigen. Wir tranken griechischen Kaffee und ich war erstaunt, aus welch unterschiedlichen Ländern die meist jungen Leute kamen. Es waren fast alles junge Männer. Nur die beiden Spanier waren zu zweit. Ansonsten erinnere ich mich an Finnland, Schweden, USA, Indien, Afrika, Deutschland, Irland und auch Griechenland.
Costa war unser griechischer Dolmetscher, da er auch gut Englisch konnte. Er würde auch die alltäglichen Verhandlungen führen, wenn es um die Bezahlung ging. Die Schicksale, die zu diesem Job geführt hatten, waren recht unterschiedlich. Der Finne hatte die Trennung von seiner Freundin nicht verwunden. Er trank viel Cognac und schrie dann seinen ganzen Frust heraus, warf auch mal mit Stühlen. Der Ire war ein Waldorf Lehrer, der seine Ehefrau mit einer jungen Griechin betrogen hatte und ebenfalls viel trank, aber dann still und traurig wurde.
Der Amerikaner war ein Abenteurer wie ich. Auch die beiden aus München wollten mal was erleben. Der Inder kannte sich mit Yoga aus und meinte, er würde sich hier nur von Orangen ernhähren, das würde ihm reichen. Vom Afrikaner wusste ich nicht viel. Aber es waren alles nette Leute, die zusammen hielten und gut miteinander auskamen.
Die leere Schule
Da wir alle knapp bei Kasse waren (außer der Ami, der hatte eine Kreditkarte), wohnten wir zusammen in der alten Schule, die leer stand. Natürlich war es nicht wirklich sauber, aber es ließ sich aushalten, obwohl es recht frisch war. Nachts hatten wir meist +5 Grad. Nicht gerade warm, aber es war besser als im Freien zu übernachten, da kein Wind wehte. Mit der Polizei hatten wir keine Probleme.
Morgenappell
Jeden Morgen gingen wir zum Café in Argos, tranken einen starken Kaffee, aßen eine Kleinigkeit und setzten uns auf die eine Seite. Uns gegenüber - auf der anderen Seite - waren die Farmer. Derbe unrasierte Männer mit sonnenverbrannten Gesichtern, laut schwatzend und lachend. Jetzt ging es ums Verhandeln und wer überhaupt genommen wurde. Wenn alle da waren zeigten die Farmer auf jene, die arbeiten durften und sagten den Preis an und ob es sich um Akkord handelte oder Stundenlohn.
Anleitung wie man echten griechischen Kaffee zubereitet.
Es war zu 99% Akkord, das hieß, es wurden die mit Orangen gefüllten Körbe gezählt und verrechnet. Immer vom ganzen Trupp, nicht einzeln. Costa verhandelte immer die Preise und da wurde auch schon mal laut gestritten, aber ich verstand kein Wort. Manchmal kam er dann zurück und meinte "Halsabschneider!". Aber wir hatten ja keine Wahl und das wussten die Farmer natürlich.
Dann stiegen wir auf die Pickups und fuhren auf die Felder. Orangen wachsen auf einer Art klebrigem Lössboden und entsprechend eingesaut waren wir. Wir brauchten ja nicht in die kleinen Orangenbäume zu klettern. Es reichte, wenn man sich ausstreckte. Dann zack-zack die Orangen blitzschnell in die Körbe gepflückt. Manchmal hielt ich kurz inne und schaute mich um, genoss für einige Sekunden die Aussicht und dachte "Ist ja irre. Jetzt bin hier in Griechenland und pflücke Orangen. Neulich stand ich noch in der Fabrik und wuchtete Wellpappen."
So vergingen ungefähr sechs Stunden, dann war die Arbeit getan. Wir bekamen unseren schmalen Lohn, ungefähr 30 DM und wurden wieder im Café abgeladen, wo wir ein Baguette aßen, uns bei einem Kaffee ausruhten und Geschichten erzählten. So verging die Zeit aber die Orangen waren fast alle abgeerntet. Es zeichnete sich eine Krise ab, denn wir konnten nichts sparen und waren auf ein permanentes Arbeitsangebot angewiesen.
Krisensitzung
Als die Arbeit drohte auszugehen, wandte ich mich an die Gruppe, die in eine Art Depression verfallen war. Wir lagen alle in der Schule in unseren warmen Schlafsäcken, als ich mich an sie wandte und von einem Buch über Tai Chi erzählte, das ich gelesen hatte. Darin stand ein Satz, der mich damals elektrisiert hatte.
Energie folgt der Aufmerksamkeit.
Wenn wir gemeinsam einen Gedanken an eine angenehme Arbeit im Geist festhalten könnten, die gut bezahlt würde und die uns Freude bereitete, dann würden wir unsere Energie fokussieren und hätten vielleicht Erfolg. Da es kein großes Ding war dies zu tun, machten alle mit. Am nächsten Morgen im Café kam Costa aufgeregt zu uns und meinte, es gäbe Arbeit für uns. Mandarinen ernten aber bezahlt pro Stunde zu einem sehr guten Preis. "Mit Blatt" das ist die Premiumklasse. Diese Mandarinen würden in einem Luxushotel oder in einem Luxusrestaurant landen.
Luxus Mandarinen
Ach war das schön. Wir saßen in den Mandarinenbäumen, die Sonne schien an diesem Tag scheinbar besonders hell und stark und wir schnitten mit einer Schere die Mandarinen. Schon zügig aber nicht hektisch. Unser Arbeitgeber war zudem ein sehr freundlicher, wohlhabender und großzügiger Mann. Für uns völlig ungewohnt rief er uns zur Mittagspause und es gab herrliche Pasta zu essen. So etwas hatten wir noch nie erlebt! Irgendwie seltsam, dass niemand auf die Idee kam, dass wir uns dieses Ereignis selbst erschaffen hatten. Ich war darüber aber nicht enttäuscht, sondern freute mich über unseren Erfolg.
Das war's dann. Heimkehr
Als es ergibig zu schütten begann und die Orangen endgültig aus waren, beschloss ich wieder nach Hause zu fahren. Ich hatte gehört, man hätte gute Chancen in Piräus auf dem Zollplatz, wo die LKWs im Zoll standen und gezwungen waren, auf ihre Papiere zu warten. Dort fuhr ich mit dem Zug hin und schlenderte so durch das Gras, als ich plötzlich jemanden liegen sah. Es war der Schwede!
"Ich wollte jetzt da runter zum Zollhof gehen. Kommst du mit?" fragte ich ihn. Er schien in keinem guten Zustand zu sein und meinte, er sei pleite. Na dann lass uns erstmal schön frühstücken, schlug ich ihm vor.
Nachdem wir uns im Café den Magen mit Spiegeleiern vollgeschlagen hatten, fragte ich ihn, was er vor hatte. Er wolle auf dem schnellsten Weg nach Schweden, meinte er. Er war ein Kfz Mechaniker, der in Schweden Dragster baute und dem es eigentlich gut gegangen war. Aber die Abenteuerlust hatte ihn hinaus in die Welt getrieben. Jetzt war er geheilt, genau wie ich, und wollte nur noch nach Hause.
Laserstrahl
Um seine Stimmung zu heben, erzählte ich ihm das mit der Energie und der Aufmerksamkeit. Er war ja nicht in der Gruppe dabei gewesen, als das schonmal geklappt hatte. Da er technischen Verstand hatte, sagte ich ihm "Schau mal. Du kannst mit 40 Watt eine Glühbirne zum Leuchten bringen. Aber nur 5% der Energie wird in Licht umgewandelt. Der Rest ist Wärme. (Deshalb sind die Dinger immer so heiß). Wenn du einen Laserstrahl mit 40 Watt betreibst, kannst du damit eine dicke Holzplatte durchschneiden. Die gleich Energie aber gebündelt. So ist es auch mit dem Geist."
Er schaute nachdenklich auf die Tischplatte, als ein LKW Fahrer das Café betrat. Wir hatten in diesem Moment dieselbe Idee und sahen und schweigend und erregt an. Er sprang auf, eilte zu dem Fahrer. Sie sprachen kurz und dann kehrte er strahlend zu mir zurück und meinte "Der nimmt mich mit. Er fährt direkt nach Schweden!"
Ja, aber genauso war das gewesen. Ich weiß, das klingt irgendwie ausgedacht. "Purer Zufall", mag einer einwenden. Wie auch immer. Er schrieb mir später auch noch einen Brief und bedankte sich, dass alles so gut geklappt hatte. Er wäre ja total verzeifelt gewesen und dann hatte sich alles zum Guten gewendet.
Auch ich fand einen LKW, der mich direkt nach Hause fuhr und so endete eine dreimonatige Abenteuerreise, meine erste gleich nach der Schule, die ich ganz alleine unternommen hatte. Aber es sollten noch einige folgen.