Vision in Cannes ✨ Ein Bild mit Hindernissen
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Ich war solch ein Fantast, dass ich glaubte, ich hätte irgend etwas Bedeutendes gefunden und wollte es mit der ganzen Welt teilen. Während ich das schreibe, muss ich schmunzeln. Würde ich meinem früheren Selbst begegnen, würde ich sagen "Mach nur, wer weiß wofür es gut ist..." Oft sind ja einzelne Aktionen scheinbar sinnlos oder richtig blöd, aber sie können durch eine Abzweigung zu einem anderen Weg führen, der dann wiederum einen Sinn ergibt. So war es auch in diesem Fall.
Da ich selbstverständlich kaum Geld hatte, stellte ich mich im Dezember mit 248 DM an die Autbahnauffahrt auf der A7 und wollte nach Südfrankreich, eben nach Cannes. Warum ausgerechnet nach Cannes? Weil das zu meiner Vision dazu gehörte. Ich wollte dieses geometrische Bild riesengroß in Cannes auf die Straße malen. Das war sozusagen "mein Auftrag". Ich empfand das damals wirklich so.
Es gesellte sich noch ein Tramper zu mir und so warteten wir gemeinsam in der Eiseskälte auf ein Auto, das uns mitnahm. Schließlich hatten wir Glück und da wir in dieselbe Richtung wollten, konnten wir beide mitfahren. Während der Fahrt fragte ich ihn "Hast du eigentlich einen Schlafsack?" Weil er hatte extrem wenig Gepäck dabei. Nein, hatte er nicht. "Und wie willst du dann schlafen?!" Wusste er nicht.
Ziemlich früh pleite
Wir kamen abends in Frankreich an, aber noch weit entfernt von unserem Ziel. Er wollte zwar nicht nach Cannes, aber auch in den Süden. Ich hätte die Nacht mit meinem Schlafsack schon überstanden, aber er wäre wohl erfroren oder so. So lud ich ihn ins Hotel ein und die ersten 100 Mark waren weg. Das hatte ich mir eigentlich vom Finanzplan her anders vorgestellt, aber ich konnte den Typen ja nocht verrecken lassen... Am nächsten Morgen beschlossen wir uns zu trennen und eigener Wege zu gehen. Sein Ziel lag jetzt auch nicht mehr auf meiner Route.
Ich trampte weiter nach Cannes und als ich endlich dort angekommen war, freute ich mich über die schöne Sonne und vor allem freute ich mich darauf, mein Bild auf die Straße zu malen. Ich hatte extra Bindfaden und Nägel dabei, um einen riesengroßen Kreis auf die Straße zu zeichnen. Es war wirklich ein großes Projekt. Das Geld war inzwischen auf 2 Francs zusammen geschmolzen, aber ich würde ja hoffentlich etwas Geld durch das Bild verdienen.
Peindre interdit!

Auf der Suche nach dem geeigneten Platz stand ich plötzlich vor einem Brunnen mit einer Statue, die mit dem Finger nach unten deutete und "C'est ici" sagte. Das heißt "Das ist hier!" Das verstand ich als Omen und beschloss mein Bild irgendwo hier in der Nähe zu malen. Ich packte meine Sachen aus, klopfte einen Nagel in den Boden und zog einen 3 Meter großen Kreis. Er sollte die Grundlage für die geometrische Struktur werden.
Exakter Ort der Statue auf ► Google Maps
Als ich so mitten in meinen Berechnungen war, sprach mit plötzlich ein Polizist an und meinte "Peindre interdit!". Das heißt "Malen verboten!". Da ich damals ganz gut Französisch konnte, meine Stiefmutter hatte mich gut trainiert, fragte ich warum und er erklärte mir, dass an der gesamten Côte d'Azur die Straßenmalerie verboten sei. Damit alles schön ordentlich aussieht. Ich sagte ihm, dass ich extra von weit her angereist sei, um mein Bild exakt hier auf die Straße zu malen. Er blieb hartnäckig bei seinem "Non!", als sich eine ältere Dame einmischte, die schon einiges mitbekommen hatte, auch dass ich Brite sei (ich dachte vielleicht gibt mir das einen Bonus) und sie sagte "Die Engländer haben uns doch im Krieg geholfen. Lassen sie ihn doch sein Bild malen."

Ich habe nie so viele Rolls-Royces gesehen, wie in Cannes...

Er blieb selbstverständlich bei seinem "Non", räumte aber ein, ich könnte es ja mal beim Bürgermeister versuchen. Das Rathaus sei nicht weit von hier. Also packte ich meine Sachen wieder zusammen und ging zum Rathaus. Dort angekommen wurde ich sogar zum Büro des Bürgermeisters durchgelassen, der aufgeregt auf und ab ging. Ich erzählte ihm von meinem Vorhaben und dass ich diesen Traum gehabt hatte und nun unbedingt dieses Bild malen müsste. Erst weigerte er sich, aber als ich nicht locker ließ "Es tut mir leid, aber es führt kein Weg daran vorbei. Ich muss dieses Bild hier malen!" gab er schließlich nach und meinte "Dann malen sie in Gottes Namen ihr Bild, aber waschen sie es hinter wieder weg!"
Und so malte ich mein Bild. Es war recht aufwändig, das alles geometrisch korrekt zu malen auf eine Größe von drei Metern, aber schließlich war es geschafft und noch während ich die Details zeichnete, kamen die ersten Neugierigen und warfen mir etwas Geld in meine Schale.

Es ist nicht exakt das Bild, das ich malte, aber so ähnlich...
Aber dies sollte nur der Anfang eines viel größeren Abenteuers sein, das jetzt erst begann. Weiter geht es dann mit "Erntehelfer in Griechenland". Aber zunächst einmal ► "Auf nach Perugia!"
Vorgelesen von Richy Schley
